Symbolbild Rezession
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Herbstumfrage zeichnet auch düsteres Bild für die ZukunftDramatische Lage im Ostthüringer Handwerk

(07.11.2022) Die wirtschaftliche Situation im Ostthüringer Handwerk hat sich gegenüber dem Frühjahr dieses Jahres noch einmal dramatisch verschlechtert. Das spiegelt sich in der aktuellen Herbstumfrage der Handwerkskammer für Ostthüringen unter ihren Mitgliedsbetrieben wider. „Die Zeichen stehen auf Rezession“, so Kammerpräsident Wolfgang Jacob.

Geschäftklimaindex abgestürzt

Seit Datenerhebung ist der Geschäftsklimaindikator (geometrischer Mittelwert aus „guter“ und „schlechter“ Geschäftslage sowie „guten“ und „schlechten“ Geschäftserwartungen) unter die Schwelle von 100 Prozentpunkten gerutscht. Damit stürzt das Ostthüringer Gesamthandwerk zum ersten Mal in das negative Konjunkturumfeld und liegt derzeit bei lediglich knapp 80 Prozentpunkten. Vor einem Jahr betrug dieser Wert noch rund 120 Prozentpunkte.

Demnach schätzen nur noch 40 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als gut ein; 25 Prozent attestieren eine schlechte Geschäftslage. Vor allem im Lebensmittelhandwerk, den Gesundheitsgewerken, dem Kfz-Gewerbe und dem Handwerk für den gewerblichen Bedarf überwiegen negative Einschätzungen zur derzeitigen Geschäftslage. Lediglich im Bau- und Ausbauhandwerk überwiegt noch eine gute oder befriedigende Einschätzung, wobei sich auch hier eine deutliche Verschlechterung für die kommenden Monate abzeichnet.

Die Einzelindikatoren zur Lagebeurteilung wie der Umsatz, die Verkaufspreise, der Auftragsbestand und die Investitionsbereitschaft fallen ebenfalls pessimistisch aus. So schätzen beispielsweise 37 Prozent der befragten Handwerksunternehmen ihren Auftragsbestand als schlecht ein. Das sind noch einmal sieben Prozentpunkte mehr als im Frühjahr 2022, als ebenfalls schon die Auswirkungen des Ukrainekrieges mit deutlichen höheren Energie- und Kraftstoffpreisen zu spüren waren. Auch die Investitionsbereitschaft ist noch einmal gegenüber der bereits zurückhaltenden Situation im Frühjahr gesunken.

Immerhin können noch rund 85 Prozent aller Unternehmen ihre Beschäftigtenzahlen konstant halten, was aber auch durch den Fachkräftemangel zu begründen ist, so dass die Betriebe trotz der Krise an ihren Mitarbeitern festhalten.

Zukunftsaussichten bedrohlich

Mehr als dramatisch fallen jedoch die Einzelindikatoren zur Erwartung der Geschäftslage in den kommenden Monaten aus. Zwar sollen die Beschäftigtenzahlen noch konstant gehalten werden, aber es besteht die Befürchtung deutlich sinkender Auftragseingänge bei 52 Prozent der befragten Handwerksunternehmen.  Gleichzeitig werden Umsatzrückgänge bei 50 Prozent der Betriebe und fast ausschließlich steigender Einkaufspreise (94 Prozent) erwartet. Das sind Alarmsignale in einer nie dagewesenen Form.

Zudem gehen 61 Prozent der Betriebe von einer sinkenden Investitionsbereitschaft aus. Im Frühjahr war dies nur bei 42 Prozent der Betriebe der Fall.

All dies verdeutlicht den anhaltenden Abwärtstrend der Ostthüringer Handwerkswirtschaft, der in der Energiekrise und entgegen den vorigen Pandemieauswirkungen mittlerweile auch den Konjunkturmotor des Bau- und Ausbauhandwerks deutlich ausbremst. Der Umsatzrückgang, anhaltende Fachkräftemangel, die Lieferkettenverzögerung, erste Zahlungsengpässe, deutlich höhere Stornierungszahlen können im Jahresverlauf 2023 zu mehr Insolvenzen führen.

Endlich schnelles Handeln

„Das Handwerk war stets der Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs im Freistaat Thüringen. Dieser Motor droht nicht nur ins Stocken, sondern zum Stillstand zu kommen“, warnt Wolfgang Jacob, Präsident der Handwerkskammer für Ostthüringen, eindringlich.

Nicht nur die energieintensiven Gewerke wie das Nahrungsmittelhandwerk und Textilreiniger, um nur einige zu nennen, sind akut gefährdet. Aufgrund der derzeitigen Inflation von mehr als zehn Prozent, droht auch ein Einbrechen der Aufträge und damit Umsätze in fast allen anderen Handwerksbranchen – egal ob Friseure, Metallbauer und selbst im Baugewerbe. „Die Kunden halten sich aufgrund der unsicheren Lage mehr und mehr mit Aufträgen zurück. Hier ist jetzt endlich die Politik gefordert, schnell und klar Lösungen anzubieten“, kritisiert der Kammerpräsident das immer noch zögerliche Handeln.

Aus seiner Sicht brauchen Handwerksunternehmen endlich verlässliche Perspektiven, wie es in den kommenden Wochen und Monaten weitergehen wird.

Vor allem sei es aber wichtig, die Industrie gegenüber den vielen klein- und mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern nicht zu bevorzugen. Deshalb die klare Forderung von Wolfgang Jacob: Ein Rettungsschirm bzw. Härtefallregelungen für energieintensive Handwerksunternehmen. „Diese können nicht warten, bis Strom- und Gaspreisbremse kommen. Sie brauchen die Unterstützung jetzt“, richtet er seine Forderung sowohl an die Bundespolitik, denn die Thüringer Landesregierung könne beispielsweise im Dezember mit einem entsprechenden Härtefallfonds starten, wenn der Bund endlich die entsprechenden Lösungen auf den Weg bringt. Ansonsten drohe eine Insolvenzwelle in diesen Branchen, die später nicht mehr auszugleichen ist.