Frühjahrsumfrage: Ostthüringer Handwerk durch Corona massiv ausgebremst
(21.04.2021) Die mehr als ein Jahr andauernde Coronakrise hat das Ostthüringer Handwerk in seiner konjunkturellen Entwicklung massiv ausgebremst. So schätzen nur noch 73 Prozent der befragten Betriebe ihre derzeitige Geschäftslage als gut oder befriedigend ein – ein Rückgang gegenüber dem Frühjahr 2019 und damit vor der Corona-Pandemie um 20 Prozentpunkte. Es ist der schlechteste Wert in den vergangenen 30 Jahren. Das geht aus der aktuellen Frühjahrsumfrage der Handwerkskammer für Ostthüringen unter ihren Mitgliedsbetrieben hervor. Auch für die kommenden Monate sind die Handwerksunternehmerinnen und –unternehmer sehr zurückhaltend mit optimistischen Prognosen.
Besonders dramatisch ist die Situation im Vergleich zum Frühjahr 2019 bei den personenbezogenen Dienstleistungen, zu denen unter anderem Friseure, Kosmetiker oder Fotografen gehören. Sie verzeichneten einen Rückgang des Geschäftsklimaindex um 56 Prozentpunkte. Aber auch das Kraftfahrzeuggewerbe mit einem Rückgang um 25 Prozentpunkte sowie das Gesundheitsgewerbe mit einem Minus von 16 Prozentpunkten waren besonders betroffen. Selbst das im Herbst 2020 noch eher robuste Bauhaupt- und Ausbaugewerbe hat in den vergangenen Monaten einen Rückgang zu verzeichnen.
Umsatzentwicklung und Auftragsvorlauf sinken deutlich
Die mehr als deutliche konjunkturelle Eintrübung spiegelt sich auch in der Umsatzentwicklung der Unternehmen wider, die im Vergleich zum Vor-Corona-Frühjahr 2019 um 30 Prozentpunkte gesunken ist. Nur noch 50 Prozent der Unternehmen sprechen von gestiegenen oder gleichgebliebenen Umsätzen. Die größten Umsatzrückgänge verzeichnen auch hier die personenbezogenen Dienstleistungen aufgrund der Lockdown-Maßnahmen und damit verbundener gänzlicher oder teilweiser Schließung sowie das Kfz-Gewerbe.
Die derzeitige Auftragssituation gibt ebenfalls wenig Hoffnung auf Besserung. Zwar liegt der Auftragsbestand über alle Branchen hinweg derzeit noch bei zehn Wochen. Jedoch tragen lediglich das Bauhaupt- und das Ausbaugewerbe zu diesem Wert mit durchschnittlich 14 Wochen bei, während beispielsweise im Kfz-Gewerbe nur ein Auftragsbestand von 1,5 Wochen und im Gesundheitsgewerbe von 2,5 Wochen besteht.
Die Investitionsbereitschaft der Handwerksunternehmen ist im Frühjahr 2021 aufgrund der weiter unsicheren wirtschaftlichen Lage deutlich gesunken. Lediglich 38 Prozent der Unternehmen haben entweder Ersatz-, Rationalisierungs- oder Erweiterungsinvestitionen vorgenommen. Das ist nochmals ein Rückgang gegenüber dem Herbst des Vorjahres um sieben Prozentpunkte und ein Zeichen dafür, dass die finanziellen Reserven in den Unternehmen oftmals aufgebraucht sind oder zurückgehalten werden.
Die größte Bereitschaft zu Investitionen gibt es noch im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe. Hier tätigten 46 Prozent bzw. 43 Prozent der Betriebe in den zurückliegenden drei Monaten Investitionen. Hingegen waren es bei den personenbezogenen Dienstleistern lediglich 23 Prozent. Deutliche Zurückhaltung war zudem in kleinen Betrieben mit bis zu vier Beschäftigten zu verzeichnen.
Trotz der massiv verschlechterten Geschäftslage und gravierenden Umsatzrückgängen hält das Gros der Ostthüringer Handwerksunternehmen an seinen Beschäftigten fest. Viele von Ihnen nutzen jedoch Kurzarbeit als Überbrückung der Coronakrise und versuchen damit, Kündigungen zu umgehen. Über alle Branchen hinweg nahmen sogar trotz Krisensituation 4,5 Prozent der Betriebe Neueinstellungen vor, insbesondere im Bauhauptgewerbe (8,3 Prozent) und im Gesundheitsgewerbe (6,9 Prozent). Das unterstreicht wieder einmal, dass das Ostthüringer Handwerk seiner sozialen Verantwortung gegenüber den Beschäftigten auch in schwierigen Zeiten gerecht wird.
Die Ostthüringer Handwerksunternehmen bleiben aufgrund eines nicht absehbaren Endes der Corona-Pandemie auch mit den Geschäftsaussichten für die kommenden Monate weiter sehr zurückhaltend. So erwarten lediglich 18,2 Prozent eine sich verbessernde Geschäftslage. Mehr als jeder fünfte Betrieb geht von einer weiteren Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Situation aus.
Warnung vor Wegbrechen handwerklicher Strukturen
„Das Handwerk war stets der Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs im Freistaat Thüringen. Dieser Motor ist nicht nur ins Stocken geraten. Vielmehr droht ein irreparabler Motorschaden“, verbildlicht Wolfgang Jacob, Präsident der Handwerkskammer für Ostthüringen, die derzeitige dramatische Situation.
„Es droht uns bei einer weiterhin überdurchschnittlichen Belastung durch immer fortwährende Lockdowns und damit verbundener Schließungen und Einschränkungen ganzer Geschäftsbereiche ein Wegbruch der handwerklichen Strukturen im Freistaat“, warnt der Kammerpräsident vor den Folgen.
Vor allem die Einzelunternehmen sowie die kleinen Handwerksbetriebe mit bis zu vier Beschäftigten leiden aus seiner Sicht in besonderen Maße. „Das Eigenkapital ist vielfach aufgebraucht. Investitionen für eine Zeit nach der Coronakrise sind schlichtweg nicht mehr möglich.“
Freiraum für Kleinunternehmen dringend notwendig
Kammerpräsident Wolfgang Jacob fordert deshalb im Interesse aller Ostthüringer Handwerksunternehmen, dass sowohl die Bundes- als auch die Landespolitik den Fokus deutlich stärker als bisher auf die kleinen und mittelständischen Handwerksunternehmen legt. „Unsere Handwerkerinnen und Handwerker wollen nicht ständig nur auf kleine Finanzhilfen angewiesen sein. Sie möchten endlich ihrer handwerklichen Tätigkeit ohne Einschränkungen nachgehen, denn sie sind nachweislich kein Treiber der Pandemie.“
Dafür sei es aber notwendig, dass die Regierung endlich einen echten Fahrplan für einen Weg aus der Krise aufzeigt. „Dieser ist bisher nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Mit den neuerlichen Maßnahmen wie beispielsweise der Testpflicht werden die Unternehmer unter Generalverdacht gestellt. Zudem verursacht diese Testpflicht zusätzliche Kosten, wofür den Handwerksbetrieben schlichtweg das Geld fehlt. Deshalb unsere klare Forderung: Der Freistaat Thüringen muss die Kosten für die notwendigen Testkits in den Betrieben übernehmen“, fordert Wolfgang Jacob.
„Wollen wir den oben erwähnten Motorschaden für die gesamte Wirtschaft noch verhindern, bedarf es jetzt schnellstmöglich eines richtigen Agierens und nicht eines monatelangen Reagierens, das stetig nur auf Inzidenzzahlen beruht“, mahnt der Kammerpräsident. Das Handwerk sei hier zur Unterstützung bereit, um die Wirtschaft endlich wieder in Fahrt zu bringen.