Präsident im Interview: Gemeinsam für Handwerk in Ostthüringen kämpfen
Der Alltag des neuen Jahres hat auch die Handwerksunternehmerinnen und –unternehmer sowie ihre Mitarbeiter bereits wieder eingeholt. Wolfgang Jacob, der im Dezember neu gewählte Präsident der Handwerkskammer für Ostthüringen, spricht im Interview über die zurückliegenden schwierigen Monate sowie vor allem über die neuen Herausforderungen 2021.
Herr Jacob, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl als Präsident der Handwerkskammer für Ostthüringen.
Vielen Dank. Ich freue mich über das Vertrauen, das mir die Vollversammlungsmitglieder der Handwerkskammer für Ostthüringen mit der Wahl entgegengebracht haben. Ich werde dieses mit großem Einsatz und ehrenamtliches Engagement rechtfertigen.
Sie treten das Amt in einer mehr als schwierigen Zeit auch für die Handwerkerinnen und Handwerker an. Die Corona-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen.
Das ist richtig. Viele unserer Handwerkerinnen und Handwerker leiden seit vielen Monaten unter den Auswirkungen der Coronakrise. Angeordnete Betriebsschließungen, Umsatzeinbrüche und vieles mehr galt und gilt es immer noch zu bewältigen.
Welche Branchen sind besonders betroffen?
Da kann man keinen Handwerkszweig speziell herausgreifen. Besonders schwer hatten es sicherlich die Betriebe, die sowohl im Frühjahr als auch seit Dezember wieder komplett schließen mussten, wie beispielsweise Friseure oder Kosmetiker. Hier geht es wirklich vielen Betrieben an die Existenz. Aber auch das Nahrungsmittelhandwerk hat deutliche Umsatzverluste durch den Wegfall des Cafe- oder Imbissbetriebes. Selbst der Baubranche, die oftmals als noch florierend dargestellt wird, fehlen öffentliche Aufträge. Deshalb müssen wir als Handwerkskammer Hilfsangebote für alle unterbreiten.
Welche Hilfestellungen kann die Handwerkskammer geben, werden die Entscheidungen doch in der Politik getroffen?
Wir als Handwerksorganisation haben bei einigen politischen Corona-Entscheidungen Einfluss genommen. Beispiele hierfür sind unter anderem, dass junge Existenzgründer, die nach dem 31. Dezember 2019 in die Selbstständigkeit starteten, die Soforthilfe im Frühjahr erhalten konnten. Ebenso war es unsere Forderung, dass bei anrechenbaren Ausgaben - anders als auf Bundesebene - zumindest die Krankenversicherung und Altersabsicherung des Unternehmers Berücksichtigung finden. Viele Soloselbständige und Kleinunternehmer in Ostthüringen haben davon profitiert. Beim jüngsten Lockdown konnten dank unseres Vetos auch Fußpfleger bestimmte Arbeiten weiter ausführen.
Doch das reicht an Hilfen sicher nicht aus?
Deshalb sind wir auch in vielen anderen Bereichen aktiv. Unsere Corona-Hotline – die übrigens weiter geschalten ist – kam bei den Betrieben bisher sehr gut an. Ebenso unsere Corona-Sonderseite im Internet. Das sind viele kleine Puzzleteile, mit denen wir zur Unterstützung unserer Mitgliedsbetriebe in schwierigen Zeiten beitragen können.
Die Coronakrise ist aber noch nicht vorbei. Was ist aus Ihrer Sicht jetzt erforderlich, damit die Handwerksunternehmen in Ostthüringen auch das Frühjahr und die weiteren Monate ohne noch größere Einbrüche überstehen?
Wie schon im Frühjahr ist es jetzt von zentraler Bedeutung, dass finanzielle Hilfen für die betroffenen Branchen schnell und unbürokratisch fließen, beispielsweise die Überbrückungshilfen, Schnellkredite über die Förderbanken, Azubi-Prämien und vieles mehr. Das dauert alles viel zu lang. Hier werden wir stetig Druck auf die Entscheider in der Politik ausüben.
Das allein führt jedoch nicht zurück auf die Erfolgsspur?
Deshalb ist es ganz entscheidend, dass endlich ein klarer Fahrplan für die kommenden Monate aufgelegt wird, damit unseren Betrieben die Unsicherheit genommen wird, wie es weitergeht. Wir sind zwar bisher noch einigermaßen durch die Krise gekommen. Wenn es jedoch in der jetzigen Form weitergeht, droht uns auch im Ostthüringer Handwerk eine Welle von Betriebsschließungen und damit ein Wegbruch der handwerklichen Strukturen auf lange Sicht.
Sie sprachen die Azubi-Prämie an. Gerade die berufliche Bildung ist es, die massiv unter den Corona-Beschränkungen zu leiden hat.
Es besteht ganz klar die Gefahr, dass eine ganze Generation von potenziellen Nachwuchskräften wegbricht. Die Berufsorientierung findet gar nicht oder nur sehr eingeschränkt statt. Das heißt, dass wir – und damit meine ich auch die Betriebe – nicht mehr im Maße wie bisher auf die Attraktivität und Vielfalt handwerklicher Berufe aufmerksam machen können. Zudem gibt es Einschränkungen bei der Ausbildung in den Berufsschulen und in unseren Bildungsstätten. Ich möchte an dieser Stelle vor allem unseren Ausbildungsbetrieben danken, die in den schweren Zeiten dennoch weiter voll auf die Ausbildung setzen und damit in die Zukunft des Handwerks investieren. Das ist bei allen coronabedingten Problemen nicht unbedingt selbstverständlich.
Das Ostthüringer Handwerk braucht aber auch die Elite des Handwerks – die Meisterinnen und Meister, um die Unternehmensnachfolge zu sichern. Welchen Weg möchten Sie hier gehen?
Für mich sind auch die Meisterinnen und Meister existenziell für den Fortbestand des Handwerks in der Region. Sie sind es, die Neugründungen anschieben oder bestehende Betriebe übernehmen. Wir wollen in den kommenden Jahren die Meisterausbildung in Ostthüringen deutlich intensivieren, passgenauere Angebote unterbreiten und vielleicht auch Meisterkurse in Berufen ins Leben rufen, die wir bisher nicht anbieten.
Kommt da die lange geforderte Aufwertung der Meisterausbildung durch das Land Thüringen mit der Meisterprämie und der Meistergründungsförderung genau richtig?
Wir haben genau dies schon seit vielen Jahren gefordert. Es brauchte viele Anstrengungen, ehe die Parteien der Landesregierung endlich begriffen haben, um was es hier geht und wie wichtig die Meisterinnen und Meister sind. Da hatten uns andere Bundesländer längst überholt und unsere Betriebe damit das Nachsehen. Mit der jetzigen Meisterprämie von 1.000 Euro für jeden erfolgreichen Absolventen, nochmals 1.000 Euro für die jeweils Besten der einzelnen Gewerke, 5.000 Euro für Jungmeisterinnen und -meister die ein Unternehmen gründen oder einen bestehenden Betrieb übernehmen sowie weiteren 2.500 Euro, wenn sie Mitarbeiter einstellen oder Azubis ausbilden, ist ein wichtiger Schritt ab diesem Jahr getan. Mit dieser Wertschätzung – ebenso auch mit finanzieller Entlastung bei der doch nicht ganz preiswerten Meisterausbildung – kann es uns gelingen, noch mehr Interessierte für eine Meisterausbildung zu gewinnen.
Die Aus- und Weiterbildung in den drei Bildungsstätten in Gera, Rudolstadt und Zeulenroda ist ein zentraler Baustein. Welche Ideen haben Sie hier schon in der Schublade, um dies in Ostthüringen weiter voranzutreiben?
Wir haben schon jetzt modernste Bildungszentren mit technischer Top-Ausstattung und hoch qualifiziertem Lehrpersonal. Für mich ist es aber in Zukunft wichtig, sich auf bestimmte Kernbereiche zu fokussieren. So kann ich mir unter anderem in unseren Bildungsstätten Gera-Aga, Rudolstadt und Zeulenroda eine Spezialisierung auf einige Themenfelder vorstellen, ohne das Große und Ganze aus den Augen zu verlieren. Hier werden wir versuchen, in den Bildungsstätten echte Mehrwerte für unsere Handwerkerinnen und Handwerker zu schaffen. Die diesbezüglichen Planungen laufen in den kommenden Wochen an.
Nicht nur Corona wird uns weiter beschäftigen. Auf politischer Ebene stehen in diesem Jahr mit der Landtagswahl in Thüringen sowie der Bundestagswahl richtungsweisende Entscheidungen an. Welchen Einfluss haben die Wahlen auf das Handwerk?
Jede Wahl ist wichtig für die kommende Arbeit des Handwerks. Deshalb werden wir auch diesmal wieder frühzeitig vor den Wahlen ganz klar unsere Positionen deutlich machen, was wir von einer künftigen Landes- bzw. Bundesregierung erwarten. Die Politiker werden sich nach der Wahl an ihren Bekenntnissen von vor der Wahl messen lassen müssen. Darauf werden wir vor allem im Interesse unserer Handwerkerinnen und Handwerker ganz genau achten und auch weiter den Finger in die Wunde legen.
Das geht aber nicht allein. Auf welche Partner setzen Sie bei den vielen Vorhaben in den kommenden Monaten und Jahren?
Für mich sind neben unseren Handwerkerinnen und Handwerkern vor allem die Kreishandwerkerschaften und Innungen die entscheidenden Partner. Sie sind es, die noch näher an der Basis dran sind und uns auf direktem Weg Hinweise geben können. Wir brauchen diesen starken Verbund von Handwerker, Innung und Kreishandwerkerschaft – denn nur gemeinsam können wir etwas bewegen. Ich zähle hier ganz fest auf deren Unterstützung.
Wo sehen Sie die Handwerkskammer in einem Jahr?
Ich bin mir ganz sicher, dass sich die Handwerkskammer weiter als kompetenter Dienstleister für alle Handwerkerinnen und Handwerker etabliert. Gerade in den Krisenzeiten der vergangenen Monate haben wir dies schon eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Doch ausruhen gilt nicht. Mein Antrieb ist es, dass wir als Handwerkskammer uns stetig an den Bedürfnissen der Handwerksunternehmen orientieren. Das ist für mich als neu gewählter Präsident neben den vielen anderen genannten Themen absolut vorrangig.
Foto: Wolfgang Jacob, der am 8. Dezember 2020 durch die Vollversammlung der Handwerkskammer für Ostthüringen neu gewählte Präsident, hat ein Jahr intensiver ehrenamtlicher Arbeit vor sich.