Herstumfrage der Handwerkskammer zeichnet düsteres BildKrisensituation im Ostthüringer Handwerk verfestigt sich
Die wirtschaftliche Situation im Ostthüringer Handwerk hat sich gegenüber dem Frühjahr dieses Jahres wieder deutlich verschlechtert. Das spiegelt sich in der aktuellen Herbstumfrage der Handwerkskammer für Ostthüringen wider, an der sich 450 Mitgliedsunternehmen beteiligt haben. „Nach dem historischen Konjunkturtief im Herbst 2022 und einem leichten Aufschwung im Frühjahr dieses Jahres zeigt sich jetzt ganz deutlich, dass die Krise noch nicht überwunden ist.“, so Wolfgang Jacob, Präsident der Handwerkskammer für Ostthüringen. „Im Gegenteil: Die Konjunkturdaten deuten auf eine Verfestigung der kritischen Situation hin.“
Geschäftsklimaindex sinkt wieder unter Schwellenwert
Der Geschäftsklimaindikator (geometrischer Mittelwert aus „guter“ und „schlechter“ Geschäftslage sowie „guten“ und „schlechten“ Geschäftserwartungen) ist, wie bereits im Herbst 2022, unter der Schwelle von 100 Prozentpunkten gesunken. Damit befindet sich das Ostthüringer Gesamthandwerk mit 92 Prozentpunkten zum zweiten Mal in einem negativen Konjunkturumfeld. Das ist gegenüber dem Frühjahr ein Rückgang um 16 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Der bisher ermittelte Höchstwert stammt aus dem Herbst 2016 mit 147 Prozentpunkten. So schätzen nur 44 Prozent der befragten Handwerksunternehmen ihre Geschäftslage als gut ein; 18 Prozent beurteilen diese als schlecht.
Krisenstimmung auch im Bau
Im Baugewerbe gab es gegenüber Herbst 2022 noch einmal einen deutlichen Rückgang. Lediglich 47 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage derzeit als gut, ein Rückgang zum Vorjahr um acht Prozentpunkte. Auch im Lebensmittelhandwerk sank die Zahl der positiven Geschäftslagebewertung von 36 Prozent im Herbst 2022 auf jetzt nur noch 25 Prozent. „Es bereitet uns massive Sorgen, dass gerade das Bauhandwerk als stärkster Wirtschaftszweig, der in Zeiten der Coronakrise und des Beginns des Ukrainekrieges der Stabilitätsanker für das Ostthüringer Handwerk war, weiter in der Bewertung abrutscht. Das ist ein deutliches Alarmsignal an die Politik“, warnt Kammerpräsident Wolfgang Jacob.
Auch wenn 50 Prozent der Betriebe von einer Betriebsauslastung von 100 Prozent und mehr sowie von einem Auftragsvorlauf von derzeit durchschnittlich elf Wochen sprechen, so deuten die derzeitigen Umsätze auf grundsätzliche Probleme hin. Jeder 3. Betrieb hat mit einem Umsatzrückgang zu kämpfen hat. Die Ursache dafür sehen die Handwerksunternehmerinnen und -unternehmer vor allem darin, dass sie ihre weiter gestiegenen Einkaufspreise und Kosten nicht in vollem Umfang an die Kunden weitergeben können.
So berichten 64 Prozent der Unternehmen von gestiegenen Einkaufspreisen. Hinzu kommen die hohen Energiekosten sowie die deutlich gestiegenen Personalkosten. Während vor einem Jahr noch 60 Prozent der Handwerksunternehmen die Verkaufspreise anheben und somit die parallel gestiegenen Einkaufspreise weiterreichen konnten, gelang dies im Herbst 2023 nur 36 Prozent der Betriebe.
Investitionsstau wird größer
Das hat schlussendlich auch gravierende Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft. Immerhin fast die Hälfte der befragten Betriebe berichten von gesunkenen Investitionen. „Unsere Betriebe halten verständlicherweise in den derzeitig unsicheren Zeiten das Geld zusammen statt zu investieren. Das verhindert aber gleichzeitig einen mittelfristigen Aufschwung“, so Wolfgang Jacob. „Wir brauchen hier seitens der politischen Entscheider endlich einen plausiblen und auch praktisch umsetzbaren Fahrplan, um die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen.“
Zukunftsaussichten getrübt
Bei den Zukunftsaussichten herrscht in den Ostthüringer Handwerksunternehmen eher Pessimismus. Zwei von fünf Betrieben sehen zukünftig eine schlechtere Entwicklung; knapp die Hälfte aller Unternehmen rechnet mit lediglich befriedigenden Ergebnissen. Die Einzelindikatoren zur Geschäftslageerwartung spiegeln diese pessimistische Haltung wider. 20 Prozent der Unternehmen erwarten einen Rückgang an Beschäftigten. Die Befürchtung deutlich sinkender Auftragseingänge tragen 43 Prozent der Betriebe. Lediglich 18 Prozent der Betriebe erwarten eine Umsatzsteigerung.
Präsident warnt vor Stillstand
„Die Krise hat das Ostthüringer Handwerk seit nunmehr über drei Jahren fest im Griff. Eine Besserung der Situation zeichnet sich nicht ab“, zieht Kammerpräsident Wolfgang Jacob ein düsteres Fazit. Waren es in den ersten Krisenjahren nur einige Gewerke, die massiv betroffen waren, so zieht sich diese Situation mittlerweile durch alle Branchen.
„Sollten von politischer Seite nicht endlich entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auch praxistauglich sind, droht uns ein kompletter Stillstand“, warnt er vor ungeahnten Folgen. Insbesondere die Unsicherheit bei Verbrauchern als auch den Unternehmern hat in den letzten Jahren nicht ab, sondern sogar noch zugenommen. Hohe Kosten für Personal, Materialpreise und vor allem Energie machen den Handwerksunternehmen das wirtschaftliche Arbeiten oftmals unmöglich.
Wachstumspaket fürs Handwerk
Aus Sicht des Kammerpräsidenten brauchen die Handwerksunternehmen endlich verlässliche Perspektiven, wie es in den kommenden Wochen und Monaten weitergehen wird. Vor allem sei es aber wichtig, die Industrie gegenüber den vielen klein- und mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern nicht zu bevorzugen. Deshalb die klare Forderung von Wolfgang Jacob: „Wir brauchen ein umfassendes Konjunkturprogramm für den handwerklichen Mittelstand.“ Das schließt aus seiner Sicht unter anderem noch bessere finanziellen Erleichterungen beim Bezug von Energie, ein maßgeschneidertes Investitionsprogramm und vor allem eine deutliche Entlastung von bürokratischen Aufgaben ein. „Unsere Betriebe sind am Limit, was die finanziellen und bürokratischen Hemmnisse betrifft. Möchte die Politik nicht, dass eine ganze Reihe von Betriebe sozusagen das Handtuch werfen und ihre Unternehmen für immer schließen, muss jetzt gehandelt werden“, so das Fazit des Kammerpräsidenten.